Follow & Lead: Zwischen Reaktion und bewusster Antwort
- Heike Fermin Guillen

- 30. Juli
- 2 Min. Lesezeit

Warum Führen und Folgen im Tanz mehr ist als ein Spiel von Aktion und Reaktion
Wenn wir im Tanz von „Führen und Folgen“ sprechen, denken viele automatisch an ein einfaches Ursache-Wirkung-Prinzip: Der Leader macht etwas – der Follower reagiert. Fast so, als wäre Tanzen ein physikalischer Vorgang: Impuls – Reaktion. Doch dieses Bild greift viel zu kurz.
Denn wirklich gutes Social Dancing – sei es Salsa, Bachata oder Tango – entsteht nicht im Reflex, sondern im bewussten Miteinander. Es geht nicht um Reaktion im Sinne eines unreflektierten „Hinterherlaufens“, sondern um ein feines Wechselspiel von Aktion und Antwort – auf körperlicher, emotionaler und sogar mentaler Ebene.
Der Unterschied zwischen Reaktion und Antwort
Im Englischen spricht man gerne von reaction vs. response – und das trifft den Kern sehr gut.
Reaktion geschieht automatisch, oft unbewusst.
Antwort erfordert Achtsamkeit, Präsenz und Wahlfreiheit.
Beim Tanzen bedeutet das: Als Follower bin ich nicht einfach nur eine Marionette, die jedem Signal blind folgt. Ich höre zu, spüre hinein, entscheide auf Basis des Inputs, wie ich antworte – und bringe dabei meine eigene Energie, meinen Ausdruck, meine Klarheit mit ein. Und auch als Leader bedeutet das: Ich initiiere nicht einfach nur Bewegungen, sondern ich lade ein – beobachte, lausche der Antwort und gestalte den nächsten Schritt im Dialog.
Embodied Awareness: Was Tanzen mit Selbstwahrnehmung zu tun hat
Dieser Ansatz hat viel mit bewusster Körperwahrnehmung zu tun – auch bekannt als embodied cognition: Wenn ich lerne, nicht einfach impulsiv zu reagieren, sondern mich innerlich mit dem zu verbinden, was ich wahrnehme, dann entsteht Raum. Raum für Qualität. Raum für Verbindung. Raum für Entwicklung.
Bin ich präsent in meinem Körper?
Spüre ich den Raum um mich?
Höre ich meinem Partner/meiner Partnerin wirklich zu?
Antworte ich aus einem inneren Ja, statt aus Automatismus?
All das sind Fragen, die weit über den Tanz hinausgehen. Denn auch im Alltag – in Beziehungen, Gesprächen oder Konflikten – kann ich mich entscheiden: Reagiere ich impulsiv, oder antworte ich bewusst?
Eine Einladung zur geteilten Verantwortung
Besonders spannend ist dieser Gedanke für Follower, denn er durchbricht das oft unausgesprochene Klischee der „passiven“ Rolle. Eine gute Followerin ist wach, eigenständig und präsent. Und genauso darf ein Leader zuhören, sich zurücknehmen und mitfeinfühlig gestalten.
Follow & Lead ist kein Machtspiel, sondern ein Dialog – wie eine Sprache ohne Worte. Und dieser Dialog ist nur dann echt, wenn beide Seiten bewusst tanzen.
Fazit:
Tanzen beginnt nicht in den Füßen, sondern im Bewusstsein. Wirklich gute Tänzerinnen folgen und führen nicht nur mit Technik, sondern mit Präsenz. Sie sind nicht reaktiv – sondern antwortend. Sie tanzen nicht nur mit dem Körper – sondern mit Kopf, Herz und Intuition.




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